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Verfasser: Nyu
Datum: Montag, den 2. Mai 2005, um 19:23 Uhr
Betrifft: Erleuchtung; update zur Entscheidung

ich gehe ja immernoch hin. Ihr wisst, warum.
Gestern fühlte ich mich in der Gemeinde total mies. Da an einem beliebigen (Fast)-Sonntag mindestens 20 mal in den drei Stunden "Amen" gesagt wird, stellte ich fest, dass ich vielleicht nur drei oder vier Mal "Amen" sagen konnte, weil ich den Rest nicht oder nur eingeschränkt bestätigen mochte. Auch die Aussagen in der Sonntagsschule waren zum grössten Teil haarsträubend. Für den Lehrer konnte ich im Nachhinein - erst seit heute - nur Mitleid empfinden. Ein Mensch, der die strenge Gesetzlichkeit eines fundamentalistischen Glaubens (oder Auslegung des Glaubens) für sich braucht.
Es ging um "Sabbat"heiligung. Als er am Anfang der Stunde fragte, ob jemand wisse, was "im Alten Testament" (er meinte, zu Zeiten des Exodus) die Strafe des Gesetzes für den Bruch des Sabbats war...
... Antwort: die Todesstrafe!
Da war für mich schon alles gelaufen und mir war klar - ich kenne den Lehrer ja auch schon so ein bischen - worauf das Thema hinauslaufen würde. Der Lehrer und zwei weitere Fundis schaukelten sich dann gegenseitig mit ihren Geschichtchen vom nicht-am-Sonntag-tanken und vom nicht-am-Sonntag-einkaufen hoch. Das Thema erfuhr dann (klassisch) eine gönnerhafte "Auflockerung" der Strenge á la: "es gibt ja sicherlich einige Dinge, die man an Sabbat nicht tun soll, ABER es gibt ja auch viele Dinge, die man an Sabbat tun KANN, wie zum Beispiel in den Heiligen Schriften lesen, die Genealogie voranbri... bla blubb blubb..."
Als die Diskussion um die Gesetzesverliebtheit ihren Höhepunkt erreichte, stellte ich die trocken-sarkastische Frage in den Raum, ob es "bezüglich der Heiligung des Sabatts, mit Ausnahme der Abschaffung der Todesstrafe, einen Unterschied gibt zwischen Altem Bund und Neuem Bund?"
Nachdenken. Antwort: "Nein, eigentlich nicht!"
Uuääh?! Ich war entsetzt über soviel fatalistische Konsequenz. Was für eine Kapitulation vor ... - ja vor was eigentlich - ... vor eigentlich allem wofür das Neue Testament steht!
Nun, es ist ja nicht so, dass diese Erkenntnis und Denke ein Einzelfall wäre. Und das fällt auch auf. Ein Mann in der Klasse, ein Ältester, fragte demütig nach, was sein Problem sei, dass ihn diese Regeln irgendwie gar nicht froh machen und er das Joch Christi eigentlich eher nicht als leicht oder erquickend empfindet. Ich habe ihn mir nach den Versammlungen gegriffen und habe da mal ein paar Sachen klargestellt.

Als ich das mit Chantal nochmal auf der Heimfahrt reflektiert habe, ist mir (erneut) ein Licht aufgegangen. Ich stellte mir die Frage, wie sich eine Kirche eigentlich einzig-wahr nennen und als Wiederherstellung der christlichen Urkirche bezeichnen kann und von sich behaupten kann Christus an ihrer Spitze zu haben, wenn sie es nicht schafft, ihren Mitgliedern klar zu machen, was eigentlich die Aufgabe Jesu ist?

Ich werde mich mal mit dem Thema "ent-Gesetzlichung" in Christus (das von Paulus noch und nöcher aufgeriffen und erklärt wird) im Buch Mormon befassen. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob dieser Kern des Evangeliums Jesu Christi dort oder auch in Lehre und Bündnisse überhaupt tangiert wird. Es mag durchaus sein, dass der Vorwurf der christlichen Kirchen, die Mormonen wären eine eher Alt-testamentarische Kirche, genau an diesem Kern völlig begründet ist.
Kein Wunder also, dass sich der eine Bruder be-drückt fühlt. Weil ihm niemand vom Evangelium, der Frohen Botschaft, erzählt.

Edgar dürfte das sicher sehr gut bestätigen können.

Ich will hier nicht christlich missionieren. Mir ist noch klarer geworden, wie wenig ich Konsens finden kann.
Gestern mittag um 12.00 Uhr am Ende der Versammlungen hatte ich diesen Lichtmoment der Erkenntnis ja noch nicht. Ich wusste nur, dass ich mich mies fühlte. Mir war klar, dass es über meiner aufrichtigen Zuneigung zu den alt-vertrauten Gemeindemitgliedern und dem Gefühl, sich emotional in dieser Gemeinschaft zuhause zu fühlen, immer noch grösser werdende Differenzen gibt. Tatsächlich fällt es mir sehr schwer, noch Überschneidungen und Gemeinsamkeiten zu finden.
Gestern Mittag war mir klar geworden, dass ein Austritt die einzig-richtige und konsquente Entscheidung wäre. Auch um mich frei zu machen für neue Horizonte.
Ich wollte aber noch den Termin mit dem Zweigpräsidenten abwarten. Ich hatte ihn vor Wochen um eine inspirierte Aussage gebeten und die sollte dann gestern schliesslich  kommen. Und sie kam: man würde mich gerne zum Lehrer im Ältestenkollegiumskollegium berufen (ich bin Hoher Priester).
Da musste ich doch schlucken. Ich dachte nur: "Mutig, mutig"
Zynisch könnte ich heute auch sagen, "da muss doch jemand bekloppt sein!" Aber ich habe mich schon entwaffnet gefühlt und ungläubig auch nochmal nachgefragt, ob er wirklich den Eindruck hat, dass diese Berufung inspiriert sei, was er bejate.
Nun, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen - das wäre schon eine Klasse Herausforderung. Es fragt sich nur, wie realistisch das eigentlich ist bei den Leitfäden und bei den vielen grundsätzlichen Differenzen, s.o.
Sollte ich mich aber dafür entscheiden, dann garantiere ich einen hohen Unterhaltungswert.

Soweit also mein update.
Ach ja, und danke dafür, dass Du den letzten Beitrag von mir - die Übersetzung - so verstanden hast, wie sie gemeint war, Renate.

Henning

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