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der Beitrag:
Verfasser: ---007---Abc
Datum: Dienstag, den 2. November 2004, um 22:30 Uhr
Betrifft: Was mir die Kirche bringt

Lieber Lennard,

ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich die Kirche brauche in dem Sinne, dass ich auf sie angewiesen bin. Es ist halt so, dass eine Menge soziale Bindungen zu netten Menschen, die gleichzeitig auch Mitgleider sind, daran hängen, auch wenn ich/wir auch viele Freunde außerhalb der Kirche haben. Ferner ist die emotionale und glaubensmäßige Anbindung meiner Frau an die Kirche viel größer als bei mir. Die Kinder haben auch eine Prägung erhalten, die ich nicht so einfach mir nichts, Dir nichts umstossen kann, sondern aus der sie in aller Freiheit herauswachsen können und werden, wenn sie wollen. Für einen plötzlichen verbal/intellektuellen Offenbarungseid sind sie noch zu klein. Aber es ist erstaunlich, weil sie unterbewußt ganz schnell merken und entsprechend lockerer handeln, wenn ihre Eltern die Zügel in der Erziehung von Glaubenfragen weniger eng führen. Das ist der eine soziale Aspekt.

Der andere ist, dass ich für mich zumindest festgestellt habe, dass es gut für mich ist, wenn ich an meine eigenen guten Vorsätze erinnert werde, an charakterlichen Eigenschaften zu arbeiten (mehr Geduld haben, mehr Liebe, mehr Demut). Man tauscht sich halt auch mit Menschen aus, die ähnliche Absichten und andere Erfahrungen haben, die mir weiterhelfen.
Bestimmte stereotype Glaubens- und Lehraussagen, die sich nach meinen Erkenntnissen nicht mehr halten lassen, blende ich bewußt aus, ohne dass mir deswegen übel wird. Man kann immer und von allen etwas lernen.

Ferner stelle ich fest, dass ich so auch Gelegenheiten habe, einigen Sozialfällen (die gibts in der Kirche auch immer wieder) ganz praktisch im Leben einfach zu helfen oder so auch andere geeignete ("Dienst"-)Projekte (Spielplatzbau im Dorf) zu finden, ohne dass ich danach groß suchen muß. Meine Kinder freuen sich, für ältere Leute in Altenwohnheimen oder bei Besuchen Lieder oder Weihnachtslieder zu singen.

Sicherlich muß ich für all das genannte, nicht unbedingt bei den Mormonen sein. Es gäbe tausend andere Gruppen. Aber meine biographische Entwicklung hat mich dort hingeweht und solange die Kirche in der Form als Institution hilfreich für mich ist, nutze ich sie. Meine Geld liefere ich allerdings nicht mehr in dem erwarteten Umfang ab. Da hat Holger Rudolph mit seiner Erklärung, dass der angeblich so gerechte Zehnte (weil immer 10 %) für Familien mit Kindern (bei uns 4) eben doch gar nicht mehr so gerecht erscheint, wenn man die Pro-Kopf-Bedarf zugrunde legt, den Blick zurechtgerückt.

Ich glaube, dass im Alltag die Kirche für die Menschen, die sich mit ihr verbunden fühlen, nicht so viel mehr oder weniger Gutes oder Schlechtes bewirkt als z. B. die katholische Kirche, die hinsichtlich Ihrer Geschichte sicherlich auch sich eher verstecken möchte.

Meine Eindruck ist es, dass es Kinder und Enkelgenerationen, von besonders glaubenseifrigen bis fanatischen Mormoneneltern schwer haben, sich loszulösen oder wirklich frei zu entscheiden, weil oftmals mehr Konditionierung und bewusste Manipulation in Richtung gewünschtes Erziehungsergebnis im Vordergrund gestanden haben, als Liebe, Vorbild und Entscheidungsfreiheit. Insofern kommt es dann zu einer energischen Gegenbewegung. Das habe ich aber bei katholischen Lebensläufen (ich war in Bayern auf Mission) übrigens auch oft hören müssen.

Insofern ist der hier immer wieder bemühte Archetyp des scheuklappendendenken Mormonen die Kombination aus der Überzeigung von einem elitären, geschlossenen Glaubensystem in Verbindung mit entsprechenden charakterlichen Anlagen und/oder Biographien.

Zurückblickend bin ich überzeugt, dass es letztlich, die aufgeklärte/liberale Erziehung meiner Mutter war, die mir jetzt und auch immer wieder davor den Blick über den Tellerrand ermöglicht hat und auch jetzt noch einen differenzierten Umgang (kritische Distanz) mit vielem ermöglicht.

Wie Du siehst: Jeder Kandidat ein Einzelfall, der für sich zu beurteilen ist !

Schönes Wochenende

Frank

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