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Verfasser: Renate
Datum: Donnerstag, den 22. Juli 2004, um 13:59 Uhr
Betrifft: Hass, Arroganz, Demut

> Es ist leichter, einen Feind zu hassen, der viel Gutes an sich hat, als einen, der durch und durch schlecht ist. Der Mensch hasst nicht, wo er verachtet." (Hoffer, 1999, S. 119 ff.)

"Der Mensch hasst nicht, wo er verachtet" Das ist klar, denn Hass ist ein aktives Gefühl, das Nahrung braucht, es bedeutet, man muss sich mit dem Objekt seines Hasses immer wieder beschäftigen, damit zollt man ihm zumindest ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und Bedeutung. Verachtung ist eher ein passives Gefühl - man hat mit jemanden abgeschlossen, das Urteil steht unumstößlich fest und das Objekt der Verachtung ist somit für einen erledigt, man muss sich nicht mehr mit ihm beschäftigen. Ein gehasster Mensch ist immer noch Teil des eigenen Lebens. Zu hassen bedeutet somit, dass man mindestens mit einer Komponente des gehassten Objekts noch verbunden ist, man braucht es um etwas bei sich selbst zu kompensieren, zu verschleiern, zu rechtfertigen, das man sich nicht eingestehen und als Teil seiner selbst akzeptieren kann. Dabei spielt auch oft Neid eine große Rolle.

Noch etwas zum Thema Urteilen von Canetti:

Urteilen und Aburteilen

Die Freude am negativen Urteil ist immer unverkennbar. Es ist eine harte und grausame Freude, die sich durch nichts beirren lässt. Das Urteil ist nur ein Urteil, wenn es mit etwas wie unheimlicher Sicherheit abgegeben wird. Es kennt keine Milde, wie es keine Vorsicht kennt. Es wird rasch gefunden, es ist seinem Wesen am meisten gemäß, wenn es ohne Überlegung zustande kommt ... Das bedingungslose und das rasche Urteil sind es, die sich als Lust auf den Zügen des Urteilenden malen.

Worin besteht diese Lust? Man schiebt etwas von sich weg, in eine Gruppe des Geringeren, wobei vorausgesetzt ist, dass man selbst zu einer Gruppe des Besseren gehört. Man erhöht sich, indem man das Andere erniedrigt ...

Es ist die Macht des Richters, die man sich auf diese Weise zubilligt. Denn nur scheinbar steht der Richter zwischen den  beiden Lagern, auf der Grenze, die das Gute vom Bösen trennt. Er rechnet sich dem Guten zu, auf jeden Fall ...

Das Urteilen über "Gut" und "Schlecht" ist das uralte Mittel einer dualistischen Klassifikation, die aber nie ganz begreiflich und nie ganz friedlich ist. Es kommt auf die Spannung zwischen ihnen an, und der Urteilende schafft und erneuert diese Spannung. Es ist die Neigung zur feindlichen Meutenbildung, die diesem Prozess zu Grunde liegt. (Canetti, 29. Aufl. 2003, S. 351 f.)

Somit sehen wir wieder einmal, dass Sekten geschickt die natürlichen Veranlagungen der Menschen benutzen um ihr Ziel zu erreichen. Wenn fanatische Sektenmitglieder empört zurückweisen, dass sie Ex-Mitglieder hassen, und stattdessen vorgeben sie zu lieben, obwohl ihr Agieren genau das Gegenteil zeigt, dann liegt das an dem Zwiespalt, in dem sie sich befinden, einerseits zwar Hass zu empfinden, aber andererseits zur Nächstenliebe verpflichtet zu sein, die sie falsch definieren, weil sie meiner Meinung nach, auch in der Bibel falsch definiert ist. Selbstlose, aufopfernde Liebe, kann immer nur eine situationbedingte Momentaktion sein, sie als andauernden Prozess und Ideal zu sehen widerspricht dem natürlichen Verhalten des Menschen, der auf Überleben programmiert ist. Sich lebenslang aufzuopfern ist somit entweder egozentrisches Verhalten, durch das man irgendetwas beweisen oder kompensieren will, oder es ist schlicht Dummheit. Nächstenliebe bedeutet vielmehr Respekt, Annahme und Toleranz gegenüber seinen Mitmenschen zu zeigen, sie so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will, sie hat mit dem Begriff Liebe nur am Rande zu tun. (Man kann nicht lieben, was man nicht kennt)

Hoffer schreibt dazu:

"Man neigt leicht zu der verbreitenden Meinung, der Rechtgläubige, insbesondere der relisiöse Mensch, sei demütig. In Wirklichkeit aber erzeugen Selbstaufgabe und Selbsterniedrigung Stolz und Arroganz. Der Rechtgläubige ist sehr leicht geneigt, sich als den Auserwählten zu betrachten, als das Salz der Erde, das Licht der Welt, als einen Fürsten im Mantel der Demut, der dazu bestimmt ist, diese Erde und das himmlische Reich zu erben. Wer nicht seines Glaubens ist, ist böse; wer nicht hören will, muss zugrunde gehen." (Hoffer, 1999, S. 125)

Darin stimme ich mit ihm völlig überein. Demut widerspricht dem Naturell des Menschen. Sie ist Selbsterniedrigung und Selbstunterdrückung, übt man sich lange genug in ihr, weil man der Meinung ist, man müsse nach Gottes Willen demütig sein, dann hat das irgendwann negative Auswirkungen. Die harmloseste davon ist noch die, dass man deshalb psychisch und physisch krank wird, die gefährlichste ist Selbsthass, der in aktiven Hass mündet und zerstören will.

Auch denke ich, dass Demut oft mit dem Bewusstsein der eigenen Unzulänglichkeit, der Fähigkeit zur Selbstkritik und weitgehend objektiven Sichtweise der eigenen Position verwechselt wird. Diese drei Eigenschaften ermöglichen es Selbstachtung und Achtung, sowieso Toleranz für seine Mitmenschen aufzubauen. Man stellt sich und sein Anliegen nicht in den Mittelpunkt, sondern reiht sich gleichwertig in die Reihen der Anderen ein, bereit von ihnen zu lernen, bereit seine Meinung zu revidieren, bereit Fehler zuzugeben, aber auch seine Überzeugung, so lange sie haltbar ist, zu vertreten, nachdem man sie vorher so genau wie möglich selbst durchdacht und sich deshalb für sie entschieden hat.

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