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Seite erstellt am 19.4.24 um 8:56 Uhr
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Verfasser: Renate
Datum: Mittwoch, den 21. Juli 2004, um 12:15 Uhr
Betrifft: Vorurteile,  Scheuklappen, Loslösungsprobleme

Es lohnt sich nicht, dort zu argumentieren, denn wenn du zu genau wirst, dann wirst du zensiert oder gelöscht. Ansonsten redest du gegen eine Wand, weil dir keiner wirklich zuhört, sie wiederholen immer wieder ihre Klischee´s. Aber ich verstehe sehr gut, dass es dir ein Bedürfnis ist, dich dort zu äußern. Wenn man gerade die Kirche verlassen hat, dann sucht man aus verständlichen Gründen den Kontakt und die Diskussion mit den Mitgliedern, das gehört zum Ablösungsprozess dazu. Wenn du erst einmal ganz damit abgschlossen hast, dann ist es dir egal, was die sagen oder denken. Du weißt dann ja, warum sie das tun.

Natürlich kommt es auch immer wieder vor, dass Aussteiger, die tatsächlich wegen eines Streits mit anderen Mitgliedern übereilt die Kirche verlassen, zurück wollen. Die sind dann froh, wenn sie Kontakt zu Mitgliedern bekommen, die sie zurückholen. Es ist aber ein großer Irrtum und auch ein Vorurteil der HLTs, zu denken, dass die meisten Aussteiger nur aus diesen Gründen ausgestiegen sind. Wie kleinlich und kindisch muss man sein, wenn man ernsthaft nur wegen eines Streits mit Mitgliedern gleich die Kirche verlässt? Ich kündige doch auch nicht gleich meine Arbeit oder meinen Mietvertrag, nur weil ich  einen Kollegen oder Nachbarn nicht mag. Aber HLTs reden sich das gerne ein, damit sie eben nicht darüber nachdenken müssen, welche Gründe Exmormonen tatsächlich haben, die Kirche zu verlassen. Nur wer sich wirklich unvoreingenommen und ehrlich mit den Fakten und der Geschichte Kirche auseinander gesetzt hat, wird sie endgültig verlassen. Das geht gar nicht anders, wenn man sich nicht selbst belügen will. Wenn es allerdings nur ein interner Streit war, dann ist die Wahrscheinlichkeit in die Kirche zurückzukehren sehr groß. Außerdem hat man natürlich auch Entzugserscheinungen. Dafür gibt es psychologische Erklärungen. Immerhin hat die Kirche oft für sehr lange Zeit das Leben bestimmt. Das fehlt natürlich plötzlich, man fällt in ein Loch, sieht keinen Sinn mehr und kann in Depressionen fallen. Wenn man aber weiß, warum das so ist, wenn man auch weiß, dass die Gründe, die Kirche zu verlassen, echte Gründe sind, dann schafft man es eines Tages wirklich frei zu sein. Dazu muss man sich aber erst ein Leben außerhalb der Kirche aufbauen, neue Freunde suchen, neue Werte finden.

Wenn man das "wahre Gesicht" einer Sekte erkennt, die ja ihre wahren Absichten und ihre wahre Geschichte immer teilweise verheimlicht und schönfärbt, dann ist die Enttäuschung darüber, wie eine tiefe Wunde. Eine Wunde schmerzt immer, sie braucht Zeit zu heilen. Dieses Zeit muss man ihr geben. Also muss man auch die Schmerzen zulassen. Meist kommt auch noch Wut auf sich selbst dazu, weil man sich so vereinnahmen hat lassen und nichts bemerkt hat. Da muss man lernen sich zu verzeihen. Das wieder kann man, wenn man versteht, wie Sekten funktionieren. Dafür gibt es genügend gute Bücher und auch viel gute Aufklärung im Internet. Sekten arbeiten bewusst und genau durchdacht, indem sie die Defizite und Sehnsüchte ihrer Opfer ansprechen und ihre Gefühle missbrauchen. Es ist also keine Schande, auf eine Sekte hereinzufallen, wenn man keine Ahnung hat, wie Sekten funktionieren. Es ist aber schwer, da wieder herauszufinden, besonders, wenn sie das ganze Leben bestimmt hat und weil man schwer enttäuscht ist, und Vertrauen zerstört worden ist. All diese negativen Gefühle haben aber nicht das Geringste mit Satans Machenschaften zu tun, was einem ja von den Mitgliedern eingeredet wird. Was ja auch ein Grund dafür ist, dass sie selbst ihre schlechten Gefühle nicht zugeben können, sondern lieber verdrängen, denn sie glauben ja daran, dass die nur durch Satan entstehen. Auch eine typisches Sektenmerkmal. Angst- und Druckerzeugung um damit Gehorsam zu erreichen.

Enttäuschung bringt erstmal Wut, daraus entsteht oft der Wunsch, es denen so richtig zu zeigen, was sie alles falsch machen, man reibt sich auf, versucht sich mit den Mitgliedern auseinanderzusetzen, dabei wandelt sich die Wut immer wieder in Trauer, Verzweiflung, dem Wunsch alles ungeschehen machen zu können, wieder glauben zu können, wieder dazugehören zu dürfen, man fragt sich, ob man nicht selbst Fehler gemacht hat und selbst Schuld ist an dem, was man jetzt empfindet und durchmacht, man spielt mit den Gedanken zurückzugehen, weil es doch einmal schön war und man das wieder haben möchte. Man vermisst seine "Freunde" innerhalb der Kirche, die gewohnten Rituale, die scheinbare Geborgenheit, die Anerkennung. die Aufgaben und vor allem den Sinn des Lebens, den man nun neu definieren muss. das sind ganz normale psychische Begleiterscheinungen, wenn man aus verschiedenen Gründen gezwungen wird, etwas, das einem einmal wichtig wahr, aufzugeben.

Das alles ist natürlich schwer durchzustehen und die Versuchung einfach aufzugeben und mit neuen Scheuklappen ausgerüstet zurückzukehren ist groß, besonders dann, wenn man außerhalb der Kirche nichts hat, das einem Kraft geben kann. Deshalb ist es für mich auch verständlich, wenn so viele wieder zurückgehen. Sie sind eben noch nicht so weit, oder werden es auch nie sein. Doch das alles ändert trotzdem nichts an den Tatsachen, dass die Kirche nicht das ist, was sie zu sein vorgibt. Wer aber damit leben kann, der soll es auch tun. Meist werden solche Menschen, die trotz ihres Wissens über die Fakten zurückgehen, zu Fanatikern, weil sie auch sich selbst immer wieder gegen alle Vernunft "beweisen" müssen, dass die Rückkehr richtig war, und/oder weil sie Schuldgefühle haben, die Organisation jemals verlassen zu haben. Sie versuchen dann mehr als perfekt zu sein, und missionieren voller Eifer mehr als alle Anderen.

> Aber eins muß man sagen, man kann sich hier bei euch wohl fühlen, wie unter Erwachsenen Menschen, die mit Verstand agieren können. Aber erst wenn man sich von denen Befreit hat kann man das wirklich erkennen.

Damit hast du Recht. Vorher trägt man Scheuklappen und will nicht sehen, was wirklich los ist. Wirklich frei ist man aber erst dann, wenn einem das alles nicht mehr wirklich berührt, wenn es nebensächlich geworden ist. Das braucht wie gesagt Zeit, die bei jedem verschieden lang dauern kann.

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