Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 70 von 74 Beiträgen.
Seite erstellt am 19.4.24 um 23:13 Uhr
zur Nachrichtenliste
der Beitrag:
Verfasser: Renate
Datum: Mittwoch, den 30. Juni 2004, um 13:23 Uhr
Betrifft: Die Schwierigkeit Manipulation zu erkennen

Hallo Tobias,

ich persönlich würde dann von Abhängigkeit sprechen, wenn Mitglieder einer Organsisation

1. ihr gesamtes Leben dieser Organisation widmen und das nur vordergründig auf freiwilliger Basis, was sich dadurch äußert, dass sie Schuldgefühle oder zumindest Gewissensbisse bekommen, wenn sie sich mal Zeit für andere Dinge nehmen. Somit ist ihnen erfolgreich suggeriert worden, dass die Organisation Vorrang vor allem anderen in ihrem Leben hat.

2. Diese Menschen ihre ganz persönlichen Lebensentscheidungen von dieser Organisation abhängig machen, auch wenn sie ihrem Naturell und Wünschen widersprechen sollten. Das heisst, wenn sie sich keine eigene Entscheidung
ob etwas richtig oder falsch für sie ist, mehr zutrauen.

> Wann ist eine Hirachie autoritär bestimmend?

Wenn sie darauf besteht, dass ihre Anhänger zu gehorchen haben, wenn Gehorsam mit Androhung von Strafen erzwungen wird, wenn auf die Einhaltung festgesetzter Regeln geachtet wird, die nichts mit einer sinnvollen normalen Ordnungsstruktur oder für ein rücksichtsvolles Miteinander zu tun haben, sondern mit Kontrolle. Kontrollierende Regeln werden willkürlich gewählt, einerseits um die Mitglieder fester an die Organisation zu binden, andererseits um Macht auszuüben.

> Haben die Katholiken solch eine autoritär bestimmende Hirachie oder nicht?

Selbstverständlich haben sie die. Der Unterschied zu den Mormonen ist meiner Meinung nach nur der, dass zumindest in den katholischen Großstädten jedem Katholiken selbst überlassen bleibt, ob er sich an die Gebote und Richtlinien halten will oder nicht, ob er inaktiv oder aktiv sein will. Er hat trotzdem Zugang zu jedem Sakrament, wie Taufe, Kommunion, Firmung, Ehe, letzte Ölung, es gibt keine Reaktivierungsversuche. Er kann sich auch mit einem andersgläubigen Partner in der Kirche trauen lassen. Anders sieht es in kleinen Ortschaften aus, in denen der Druck der Hierarchie noch voll zu spüren ist, das aber eigentlich eher aus gesellschaftlichen Gründen. In der Großstadt ist es heute auch so, dass die meisten Leute nur aus Tradition Katholiken sind und die Kirche als zusätzlichen Showeffekt für große Familienfeierlichkeiten, wie Taufe, Hochzeit oder Totenmessen, verwenden. Die meisten Priester tolerieren das. Diese Leistungen kosten auch etwas.

> Zu den Ausführungen zum Charismatiker, worann kann der Außenstehende erkenne, dass der Einfluss eines Kirchenführers nur oder hauptsächlich über pheriphere Wege laufen und nicht über sachlich, faktische Darstellungen?

Da denke ich, dass ein Kirchenführer oder sonst ein charismatischer Redner, der nur sachlich faktische Darstellungen bringen will, diese niemanden als absolute Wahrheit aufzwingt, sondern eindeutig als Information weitergibt. Er verlangt keine Zustimmung, toleriert andere Meinung und stellt seine Meinung zur Disksussion und ist eventuell bereit, sie zu revidieren.

> Bzw welche der Faktoren nun tasächlich Einfluss auf die Mitglieder haben und welche nicht (wenn beide Arten der Einflussnahme vorhanden sind)?

Ich finde, dass Einfluss nicht prinzipiell als etwas Negatives zu bewerten ist. Wir alle beeinflussen uns gegenseitig und werden von Lebenssituationen, unserem Umfeld und außergewöhnlichen Ereignissen, in unserem Denken und Handeln beeinflusst. Dadurch lernen wir und profitieren auch davon. Das gehört zum Leben. Während Manipulation gezielte, bewusste Beeinflussung - oft ohne Wissen und gegen den Willen des Opfers - zum Zweck der Erreichung eines bestimmten Zieles bedeutet. In wie weit der Einzelne sich dadurch beeinflussen lässt hängt von verschiedenen Faktoren ab. Professionalität der Manipulation, sprich - wie gut ist sie auf die Zielgruppe abgestimmt. Je nachdem, wie sehr sie Defizite anspricht und scheinbar beseitigt, ist sie auch mehr oder weniger wirkungsvoll. Dazu kommt der "Masse-Effekt". Je mehr Menschen von etwas überzeugt sind um so leichter lässt sich der Einzelne mitreissen, auch wenn er vorher vielleicht genau entgegengesetzter Meinung war. Das hat evolutionäre Gründe. Der Mensch ist ein Herdentier und in seinen Anfängen war die Geborgenheit in der Gemeinschaft für ihn
überlebensnotwendig. Das sitzt auch heute noch in unserem Stammhirn. Angst vor Ausgrenzung. Infolgedessen kann ein guter Manipulator, der sich dessen bewusst ist, dies gezielt in seine Manipulation mit einbeziehen.

> Sind dann viele der Gemeinden der Pfingstbewegung als potential gefährlich zu kategoriesieren, weil sie hauptsächlich durch Tanz lautes rufen und ähnliche Bewegungen ihren Gottesdienst feieren und oft in "ekstase" geraten?

"Showeffekte" in einem Gottesdienst sind nicht unbedingt ein Gradmesser der Gefährlichkeit. Diese Äußerlichkeiten dienen meist dem aktiven Gemeinschaftserlebnis, sie erzeugen ein Zusammengehörigkeitsgefühl, was an und für sich nichts Negatives sein muss. Rituale können nur Tradition, aber auch Auflockerung der Feierlichkeit sein. Wie bei einem privaten Fest, dass ja auch je vielschichtiger es ist, umso mehr Freude bereitet und damit zu etwas Besonderem wird. Rituale können aber natürlich auch Mittel zum Zweck sein um Menschen zu manipulieren.

Es ist nun mal so, dass der einfachste Weg zur Beeinflussung von Menschen über ihre Sinne führt. Damit schafft man eine Art Abhängigkeit, was an und für sich auch nichts Schlechtes ist. Irgendwie sind wir alle bis zu einem gewissen Grad voneinander abhängig. Wenn ich z.B. schlechte Laune habe, weil gerade alles schief läuft, und mich eine Freundin zu beeinflussen versucht, indem sie mich ins Kino oder zu einem Essen einlädt, dann hat sie das getan, weil ihr daran liegt, dass es mir wieder gut geht. Das ist eine positive Beeinflussung. Manipulation wäre es, wenn sie meine miese Situation ausnützt um etwas von mir zu bekommen, was sie sonst nicht erreichen würde. Also ist bei Beeinflussung eigentlich immer das Motiv des Beeinflussenden ausschlagebend, ob es sich um echte Manipulation oder positive Beeinflussung handelt. Das ist nicht leicht zu durchschauen, weil es von manipulativen Menschen oder Organisationen naturgemäß verborgen wird, denn sonst würde Manipulation ja nicht so gut funktionieren.

Die Gefährlichkeit einer Glaubensgemeinschaft liegt also in dem Versuch einer bewussten
Manipulation zum Zwecke des Beherrschens und der Machtausübung, was in jedem
Fall für die Organisation eine Bereicherung darstellt, nicht nur finanzieller Art. Ein Manipulator nimmt das Leben seiner Opfer ein, er benutzt es für seine Zwecke und wird somit eigentlich auch zum Schmarotzer, weil er auf Kosten anderer lebt.

Dies alles ist jetzt nur meine persönliche Meinung, gewonnen aus Erfahrung
und Beobachtung, ich bin keine Expertin für dieses Thema.

zur Nachrichtenliste
auf diesen Beitrag antworten:

nicht möglich, da das maximale Themenalter erreicht wurde.

zur Nachrichtenliste
das Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge in diesem Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge außerhalb dieses Themengebietes: zur Nachrichtenliste
zurück
www.mormonentum.de