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Verfasser: Nyu
Datum: Mittwoch, den 9. Juni 2004, um 15:13 Uhr
Betrifft: Joseph Smith und die "Ãœbersetzung"

In einem anderen Forum hatte ein gewisser Non Sequitur eine Frage über das Wort “Adieu” im Buch Mormon. Der Teilnehmer tauschte sich wohl im Forum bei F.A.R.M.S. aus und war beunruhigt darüber, dass ihm die apologetische Erklärung dieses Themas plausibler erschien als die reflektierte Erklärung seines kritischen Gesinnungsgenossen.
Ohne jetzt näher auf die Erklärung dieses Themas einzugehen, habe ich mich doch über die Bestürzung dieses Non Sequitur verwundert und mich gefragt, was diese Diskussion überhaupt impliziert.

Ich wollte einmal schriftlich meine eigenen Gedanken finden und habe es gewagt, über Joseph Smith und den „Übersetzungsprozess“ zu reflektieren.

Wir erinnern uns alle an dieses Bild des mormonischen Malers, der Joseph Smith auf der einen Seite eines Tisches zeigt, wie er über den Goldenen Platten schwitzend in die Übersetzung vertieft ist und Oliver Cowdery diktiert, der auf der anderen Seite des Tisches sitzt und von Joseph durch ein Tuch getrennt ist, damit Cowdery die Platten nicht sieht.
Dieses Bild hat sich tief in das kollektive Bewusstsein des Mormonismus gebrannt.
Wir wissen aber, dass diese „Übersetzung“ so niemals passiert ist.
Was wir auch glauben können ist, dass das Buch Mormon überhaupt keine Übersetzung eines antiken Dokuments ist. Zu viele Widersprüche. Zu viele Fakten die, entgegen (sich verändernder) mormonischer Behauptungen, bewiesen oder entkräftet werden können.

Dennoch habe ich selber niemals klassische contra-mormonische Argumente, die dem Buch Mormon vorwerfen langweilig zu sein oder geringen prosaischen oder spirituellen Wert zu haben sehr überzeugend finden können.

--> wenn ich die Lupe ansetze, dann kann ich kaum davon überzeugt werden, dass Jacob 5 oder Alma 36 einen geringeren spirituellen Wert hätten als z.B. Ezechiel 37 oder Offenbarung 5.

--> ich finde pro-mormonische wissenschaftliche Analyse der vielschichtigen Prosa oder Bildersprache des Buches Mormon klar führend im Wettbewerb um Glaubwürdigkeit. Ihre Analyse erscheint überzeugender, besser recherchiert und offener in wissenschaftlicher Methode und faktischem Detail als die Argumentation der Kritiker des Buches Mormon.

--> Joseph Smith war ein charismatischer Redner und Visionär, der es verstand, bei vielen seiner Zuhörer die Türen geistigen Horizonts zu öffnen und ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

--> Die Mitglieder in den Tagen Joseph Smiths empfanden wirklich Dinge, die nicht-mormonische Christen heutzutage als „Der Heilige Geist“ beschreiben würden und erfuhren damals und heute Dinge, die sie für Wunder und Visionen hielte und nach meiner Meinung auch zurecht.

--> Es gibt nicht so etwas wie eine grosse Massenverblendung oder –lüge mit dem Zweck, von den geschichtlichen Fakten abzulenken, die 10.000de HLT-„Pioniere“ über die Great Plains ins Salzseetal trieb. Es mag gut sein, dass sie richtig gute Gründe hatten, diese Dinge durchzumachen.

ABER !
--> wenn man sich das Buch Mormon im grossen Bild betrachtet, dann scheint pro-mormonische Argumentation häufig den Nagel nicht auf den Kopf zu treffen und verliert den Blick für relevante Details und Fakten. Zum Beispiel ignorieren die Apologeten einfache und vernichtende Argumente zum Thema Plagiarismus von der King James Version der Bibel, von Thomas Jefferson, George Washington, Mercy Otis Warren und natürlich Solomon Spaulding und andere und verliert sich im irrelevanten Detail.

--> Es gab niemals so etwas wie Nephiten auf dem amerikanischen Kontinent. Tatsache!

--> Joseph Smith machte in den Bereichen Finanzen, mit Menschen, mit seiner eigenen Libido, seiner Familie, in der Kirche, in der Politik, durch seinen Stolz und seinen unstabilen Charakter, um in das Bild zu passen, das die Kirche heutzutage von ihm zeichnet.
Auch bin ich der Meinung, dass Propheten wie Samuel im Alten Testament, Jesaja, Jeremia und Johannes der Täufer verbindliche, kompromisslose Menschen waren mit einem hohen Level persönlicher Ethik und hoher Ergebenheit und Loyalität zum Gott ihrer Vorväter.

--> Joseph Smith war geschult und gut informiert in der “Folk Magic” seiner Zeit und Region, wie sie sich über die Jahrhunderte bis in seine Tage tradierte, obwohl Paulus ausgesprochen scharf explizit über Zauberbücher und derlei Dinge geschrieben und gepredigt hat.

Wenn ich diese Widersprüche berücksichtige, dann halte ich es für unwahrscheinlich, dass Joseph Smith überhaupt irgendetwas „übersetzt“ hat. Auch kann ich kaum glauben, dass Joseph Smith (mit Ausnahme des Schreibens oder Redens über geistige Themen) irgendwie mehr „inspiriert“ (oder begabt) gewesen wäre als sonst irgendjemand.

Soll meinen: er mag ein charismatischer Initiator spiritueller Vision und Methode gewesen sein. Besonders begabt war er aber wohl kaum in irgendeiner anderen Sache mit der er sich befasste. Ich gebe gerne zu, dass die Menschen, die ihrem Bruder Joseph ihre Loyalität schworen ihn tatsächlich menschlich mochten und zu ihm aufblickten. Auch war Joseph Smith jemand, der recht materialistisch dachte, der aber auch mit Menschen Mitleid hatte, die mittellos waren und ihnen ungeachtet ihres Standes half.
Aber er und seine Herde versagten gänzlich darin, ihre Gruppe in jedweder nicht-mormonischer Zivilisation zu integrieren und diese nicht gegen sich aufzubringen. Die alten Siedler der Bundesländer in denen sich die Mormonen in Massen niedersiedelten waren von ihrer rechthaberischen und arroganten Art angewiedert und fürchteten um ihre Existenz, die sie dann auch mit unrechten Mitteln verteidigten.

Um diese oberflächliche Analyse einmal zusammenzufassen:
-      Das Buch Mormon ist spirituell einzigartig und ursprünglich in manchen Bereichen (Ich überlasse es Euch, zu definieren was „spirituell einzigartig“ heisst) und widersprüchlich und kaum ursprünglich in anderen anderen Bereichen.
 
-      Joseph Smith mag ein visionärer Lehrer gewesen sein. Er war aber auch ein schlechter Politiker und als solcher ein Schöpfer von Lügen, Verdeckung und Halbwahrheiten, um diese Probleme zu verbergen.
Wenn ich die Wahr hätte, ihn mit Paulus dem Apostel zu vergleichen oder mit David Coresh von den Branch Davidians aus Waco, dann tendiere ich eher zu Dave.

Also bleibt bezüglich des Übersetzungsprozesses noch eine Frage: wie hat er also das Buch Mormon geschrieben? Wie diktierte er seinen Schreibern die Worte des Buches Stunden über Stunden, machte dann eine Pause oder setzte sich zur Ruhe und fuhr dann dort fort, wo er zuletzt zu schreiben aufgehört hatte. Wie wurde das Buch Mormon geschrieben, ohne das es wärend des niederschreibens immer wieder korrigiert und gegenkorrigiert wurde, so wie man ja gemeinhin vor allem historische Bücher mit einem Gegenwartsbezug schreiben würde.

Er mag sicher bei der Köstlichen Perle und der “Joseph Smith Übersetzung” eine ähnliche Methode angewandt haben.

Ist es vielleicht möglich, dass JS eine ähnliche Methode angewendet hat, wie Helen Schucman diese vorgibt für ihr Buch „A Course in Miracles“ in den 1970ern gebraucht zu haben. Auch in der zweiten oder dritten 2003er Ausgabe des Dialogue – A Journal of Mormon Thought wird diese Theorie berücksichtigt.

Sie beschreibt, wie sie sich auf „The Voice“ eingestimmt hat...
( http://www.miracles.org.uk/acim-faq.html )

"...Helen was [...] hearing an inner Voice (Helen insisted on the use of a capital V with reference to this Voice), which explained visions she had received. Then, one day in October 1965, she heard the Voice say: "This is a course in miracles; please take notes."
"...It was immediately clear that the words which Helen had heard were not nonsense, although they filled her with fear. Bill [her husband] and Helen quickly developed a routine, which they followed each morning before their regular work started. Helen reluctantly read out to Bill what she had written down, Bill typed it out and then he read back to Helen for any corrections. The whole process took seven years to complete.
"Helen regularly resisted the time it took to write down the words which she heard. It was not an automatic process, and required her full co-operation. She could stop the writing to speak to her husband or answer the phone. When she sat down again with her notebook and pen, the Voice would continue where it had been interrupted, even in mid-sentence.
"Helen never doubted the source of what she was hearing, or its wisdom and authority. Yet she frequently argued with the Voice, and sometimes even tried to change the words which she heard, only to be gently corrected later on..."

Das liest sich sehr vertraut. Aus welcher Quelle bezog Helen Schucman also ihre Worte? Hat Schucman auch etwas „übersetzt“? Ist „A Course in Miracles“ auch das Buch, das wir alle annehmen müssen. Ist dieses Buch auch „Das korrekteste Buch auf Erden“?

Ohne das ich sehr viel über dieses Buch wissen würde, denke ich nicht.

Was meint Ihr?

Henning

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