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Verfasser: Gunar
Datum: Mittwoch, den 19. Mai 2004, um 1:43 Uhr
Betrifft: das Gegenteil von gut ist gut gemeint

> Ich personalisiere die Begriffe Gut und Böse nicht.

Na ja, das ist ja schon mal ziemlich wichtig. Aber wie steht es um deine Bewertungen der Handlungen von Personen? Unterteilst du diese in gute und böse?

> Beim Gedanken, Gutes zu tun, meinen Mitmenschen Gutes zu tun, wird mir wohl ums Herz, Dir ja wahrscheinlich auch. Dieser Zustand der Freude ist erstrebenswert. Der Gegensatz dazu ist die Abwesenheit der Freude, bis hin zur völligen Abwesenheit der Freude. Dieser Zustand ist höchst Traurig und ich wünsche ihn Keinem.

Dies scheint mir aber ein ziemlich einfach gestrickter Ansatz zu sein, der an der komplexen Realität doch etwas vorbei geht. Denn wenn du jemandem etwas Gutes tun willst, dann bedeutet das noch lange nicht, dass dies aus objektiver und subjektiver Sicht (des Betreffenden) ebenso bewertet wird.

Nehmen wir als Beispiel das Sektenmitglied. Es will die Menschheit mit seiner Wahrheit beglücken. Die Menschheit aber bewertet diese Wahrheit als Elend und versucht sie zu meiden. Dennoch bereitet es dem Sektenmitglied wahre Freude, seine Wahrheit mitzuteilen. Handelt das Sektenmitglied nun gut oder böse? (Spiele das gedanklich einmal getrennt für Mormonen und Zeugen Jehovas durch, damit du den Unterschied erkennst). Nach eigener Ansicht bringt es Freunde unter die Menschheit, nach Ansicht der Menscheit bringt er das Elend, objektiv vermittelt es eine psychische Abhängigkeit, die die Wahrscheinlichkeit einer Borderline-Erfahrung erheblich steigert.

Deshalb ist die Welt eben nicht schwarz/weiß, sondern es sind viele Nuancen zu finden.

Somit nutzt es nicht allein, dass man Gut und Böse nicht personalisierst, man darf es auch nicht objektivieren oder modalisieren oder sonstwas. Es gibt viel mehr die sprichwörtlichen zwei Seiten der Medaille.

> Dieser Zustand der Freude ist erstrebenswert.

Das artet aber ganz schnell in grenzenlosen Egoismus aus. Was einem selbst Freunde bereitet, kann nämlich anderen schlimmstes Leid zufügen. Wenn jemand ein Saddist ist, so muss das noch lange nicht heißen, dass er das immer nur an einem Masochisten auslässt. Und wenn sich jemand in einer Sekte (tatsächlich) wohlfühlt, bedeutet das noch lange nicht, dass das auch nur eine einzige andere Person auf der Welt ähnlich empfinden kann.

> Ich möchte mal salopp interpretieren, dass Goethe hiermit sagen will, dass das Gute am Ende immer siegen wird.

Ich sehe keinerlei Anlass für diesen Umkehrschluss. Denn wer sagt denn, dass jemand, der nur Gutes will, nicht das Böse schafft?

Willst du den Piloten vom 11. September unterstellen, dass sie etwas Böses wollten? Innerhalb ihrer Denkweise taten sie nur das Beste. Als ich auf Mission war, dachte ich, ich tue der Menschheit nur das Beste an. Heute denke ich darüber anders, so wie die meisten Menschen es sehen.

Auf was man hier stößt, ist das Dilemma der Bewertung. Trotzdem bildet sich ein Konsens in der Menschheit, von dem es immer Abweichler gibt, der sich anderer Seits aber auch entwickelt. Ethik und Moral haben Lebeszyklen wie Produkte, und die Nutzer kann man in Innovatoren, frühe Mehrheit, späte Mehrheit und Nachzügler einteilen. Sektenanhänger sind als so genannte Erzkonservative meist die Nachzügler, einige wenige sind aber auch Innovatoren. Die abendländische Kultur ist wohl die frühe Mehrheit, die morgenländische die späte Mehrheit.

Wenn die Menschen nicht so verbohrt wären, ihre eigenen Ansichten als maßgeblich für alle anderen anzusehen, dann wäre der Umgang miteinander viel leichter.

> Gibt es nicht auch irgendwo einen tragischen Helden, der das Gute will und das Böse schafft, weil er die Konsequenzen seines Handelns nicht absehen kann oder möchte? Wenn nicht, dann wird es Zeit ihn in die Literatur einzuführen!

Ah ja, sehr richtig beobachtet. Obwohl es dazu nicht der Literatur bedarf, die ja nur eine Reflektion des Realen darstellt. Aber auch hier begegnet uns die schwierige Einteilung in gut und böse wieder. Wer dem Einen sein Held, ist dem Anderen sein Terrorist. Tragisch wird es immer dann, wenn man sich selbst für gut oder böse hält, und damit für besser, für auserwählt.

> Meine Maßstäbe heißen Liebe, Toleranz, Glaube, Hoffnung. Ich ordne die Menschen erst einmal danach ein, wieviel von diesen Gefühlen sie mir entgegenbringen. Nicht um sie zu verurteilen, sondern um mich vor Verletzungen zu schützen.

Nicht unweise, aber auch nicht weise. Denn das unterliegt deiner subjektiven Wahrnehmung. Welche dieser Tugenden ist die Größte? Es ist die Toleranz - interessant, dass du sie aufgeführt hast. Natürlich wäre die Liebe größer, wenn die Menschen verstehen würden, sie zu verstehen, was sie verständlicher Weise nicht können. Toleranz lässt sich hingegen schwerlich missverstehen: Ich bin okay und du bist okay. Und hoffentlich sieht das der Gegenüber genau so.

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