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Verfasser: Hexe
Datum: Dienstag, den 18. Mai 2004, um 2:42 Uhr
Betrifft: Wurden Baal Kinder geopfert?

Eine interessante Frage!
Die Bibel und andere Quellen sagen es, und führen Beweise dafür an.
Aber war es wirklich so?
Ich habe versucht, auf diese Frage durch mir zur Verfügung stehende Quellen, eine Antwort zu finden. Das Problem dabei ist, das viele weitere Quellen mir nicht zur Verfügung stehen, die in Bibliotheken oder Museen stehen, und die noch weitere Aufschlüsse gegeben hätten.
Zunächst einmal sollten wir uns einmal ansehen, wer Baal überhaupt war. In einem Lexikon fand ich dazu den folgenden Eintrag:

„Baal (hebr, „Herr, Besitzer“). 1. Das Wort „B“ kommt als Bezeichnung für kanaan. Gottheiten in drei Bereichen vor: a) Am häufigsten bezeichnet „B.“ eine Gottheit, die jeweils an einen ganz bestimmten Ort gebunden ist. Erwähnt wird z.B. der B. von Ofra (Richter 6,25-32), der B. des Karmel (1.Kön. 18,19-40), der B. des Tyrus (1.Kön. 16, 31f). b) Bei Hosea und in seinem Gefolge bei Jeremia findet sich die Anklage gegen den mit Fruchtbarkeitsriten verbundenen B.s-Kult der Israeliten (z.B. Hos 2,5; Jer 2,23), der hier die Bedeutung „Götzendienst“ annimmt. c) Im Anschluss an Hosea und Jeremia sprechen die Geschichtsbücher vom B.s-Kult- wobei meistens die Pluralform „Baale“ gebraucht wird-, um den Abfall der Israeliten von Jahwe zu bezeichnen (z.B. Richter 2,11,13; 1.Sam 12, 10; 2Chr 33,3). Dabei wird neben B. mehrfach eine weibliche Gottheit genannt: Aschera (z.B. 1.Kön 18,19; 2Kön 23,4) und- stets im Plural- Astarte (z.B. Richt 2,13; 10,16).- Die im AT erwähnten einzelnen ortsgebundenen B.e sind vermutlich als Erscheinungsformen EINES Gottes mit Namen „B.“ zu verstehen, der im kanaan. Bereich eine große Rolle spielte. Er wurde vor allem als Gott des Wetters und der Fruchtbarkeit verehrt, der stirbt und aufersteht: Mit dem Tode welkt die Natur dahin; wenn er ins Leben zurückkehrt, blüht sie wieder auf. „B.“ als Personenname und mit „B.“ zusammengesetzte Personennamen (z.B. Bejala, Merib-Baal) zeigen, dass in früherer Zeit auch Jahwe „B“ genannt wurde. Die abwertende Verwendung des Wortes als „Götze“ führte aber dazu, dass die jüd. Schriftgelehrten den Namensbestandteil „B.“ durch „Bochet“ (Schande) ersetzten, z.B. Eschbaal durch Isch-Bochet. 2. Ein Angehöriger des Stammes Ruben (1Chr 5,5). Ein Benjamiter (1Chr 8,30; 9,36)“. („Kleines Lexikon der biblischen Eigennamen“, von Hans Schmoldt, Reclam Wissen, S. 44)

Aus dieser Stelle ergeben sich folgende Erkenntnisse:

·      Es gab mehrere Baal, die örtlich begrenzt waren

·      Sie waren immer in Verbindung mir einer Göttin genannt

·      Auch „Jahwe“ war ein Baal

·      Baal wurde als Fruchtbarkeitsgott gesehen, der stirbt und erneut wieder aufersteht

Wenn es Menschenopfer zu Ehren Baals gab, dann kann es nur örtlich begrenzt gewesen sein, und nicht den gesamten Baalskult betreffen! Außerdem ist das Bild des sterbenden und wieder im Frühling erwachenden Baals ein Bild; das in allen matriarchalischen Kulturen auf den HEROS DER GÖTTIN zutraf, der Sohn/Geliebter der Göttin war, und im Gegensatz zu ihr, die als unsterblich galt, sterblich war.
Fruchtbarkeitskulte kannten keine Menschenopfer!
Im selben Lexikon fand ich unter dem Begriff „Moloch“, den folgenden Eintrag:

„ Moloch (griech. Form des hebr. Moläk), ein wohl aus dem Phönizischen übernommener Opferbegriff („Darbringung“),  der im AT manchmal für die in Israel verbotenen Kinderopfer gebraucht wird (...). Der Ausdruck, als Gottesname missverstanden (so 3Mose 20,5; vgl. Apg 7,43; in der Lutherbibel auch 1.Kön,11,7), dient in der Neuzeit zur Bezeichnung einer alles verschlingenden Macht.(...) In Jes.57,9 ist mit „M.“ ein kanaan. Gott gemeint (Lutherbibel „König“).“ ( S. 165)
auch hier gibt es also verschiedene Deutungsmöglichkeiten!

Die Verehrung des Baals gehörte, religionsentwicklungsgeschichtlich gesehen, zum sogenannten „Stierkult“. Der Stier war und ist ein patriarchalisches Symbol in einer matriarchalischen Religion, und war weit verbreitet. Die einzigsten Quellen, die mir zur Verfügung stehen, und die Menschenopfer innerhalb des Stierkultes beschrieben, handeln vom alten Kreta, bekannt geworden durch den dort verehrten Minotaurus, dem möglicherweise Jungen und Mädchen geopfert wurden. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, das die Kinder nicht wirklich „geopfert“, sondern zur Ausbildung als Priesterin/Priester der Göttin ausgewählt und unterwiesen wurden (Stuart Piggott, Hrg. „The Dawn of Civilisations“, S 224). Dieser Kult verschwand in Griechenland erst im 8. Jahrhundert v.Chr., als Zeus populär wurde.
Für die VerehrerInnen des Baal in Kanaan gibt es in den mir zur Verfügung stehenden Quellen keine Hinweise darauf, das dort (außer möglicherweise örtlich begrenzt) Menschenopfer gemacht wurden!
Die „Menschenopfer“ die ich fand, bezogen sich auf eine „rituelle Menschenopferung“, die sich auch heute noch in Großbritannien im „Fest des grünen Mannes“ oder des „Maismannes“ als Überrest alter keltischer Fruchtbarkeitsriten finden lassen.
In späteren Baal/Marduk- Mythen wurde gesagt, das ER das Universum erschaffen hatte, und die „Ordnung“ repräsentieren würde, während Tiamat, die dreifaltige Göttin und Mutter des Baal/Marduk, die ursprüngliche Herrscherin des Himmels, das Chaos verkörpern würde. Marduk zerstückelte den Körper seiner Mutter, und formte die Welt aus ihren Gliedern. (Budapest, „Herrin der Dunkelheit, Königin des Lichts, S. 36).
Welch ein grausamer Mythus voller Mutterhass!
Dazu erscheint das Christentum früherer Prägung fast als brav!
Aber hier zeigt sich in eindeutiger Weise die Macht der Mythologie. Sie schafft die Gesellschaft, die eine herrschende Klasse zu verewigen wünscht. Darum scheint es mir so wichtig, die Bibel, ihre Mythen (sowie die Mythen anderer Kulturen) zu hinterfragen, und gegebenenfalls eigene Mythen zu erschaffen.
Warum übernahmen die Juden/Jahwisten vieles aus der Kultur Kanaans?
Wenn sie doch „so schrecklich“ war?
Dazu sagte Immanuel Velikowsy in seinem 1952 erschienenem Werk „Ages in Chaos: „ Im Gegensatz zu dem aus dem Alten Testament entstandenen Eindruck, waren die Kanaaniter ein hochkultiviertes Volk, von dem die weniger kultivierten Hebräer viel lernten. „Ihre Dichtung war von hoher Qualität; die Sprache, das Alphabet, der Stil und der Rhythmus wurde von Juden übernommen“, ebenso der „Ethos der sozialen Gerechtigkeit“, und der Vorliebe für „religiöse Prophezeiungen“. (S. 196)
In einer früheren Stelle seines Buches, sagte Velikowsky: „ Traditionen, Kultur und Religion der Israeliten sind unlösbar mit den früheren Kanaaniten verwachsen. Die Herausgeber des Alten Testamentes waren sich dieser Tatsache voll bewusst, daher die Verbissenheit, mit der sie ihre Dankesschuld zu verbergen suchen“ (S. 192).

Warum wollten also die Juden die Anhänger des Gottes Baal in Misskredit bringen?
Ich denke, die Antwort kannst Du hier finden!
Es gab kaum Hinweise auf eine Menschenopferung bei allen Baalsanhängern, aber es gab sehr viele Quellen, die dieses zumindest in Frage stellten! Vor allem gab es Hinweise darauf, das diese „Opferung“ symbolisch war (siehe oben)!
Oft übernehmen Reporter/Historiker die Mythen der Vergangenheit, und auch Wissenschaftler und Mediziner, wie etwa Sigmund Freud, der sagte, das er „ den ganzen Nährboden des Matriarchats im Mann entging“ (Evans, „Dialogue“, S.42). Auch wenn Freud später sagte, das es „irgendwann einmal große Muttergottheiten (...) wahrscheinlich vor den männlichen Göttern(...) angebetet wurden“ (Sigmund Freud, „Moses and Monotheismn“, S. 105).
Und vielleicht haben das die Reporter dieser ZDF- Sendung auch getan, ohne, das es ihnen bewusst war?
Wie gesagt, habe ich den Beitrag leider nicht gesehen, und mein Material lässt auch Raum für Spekulationen und Theorien;, andererseits scheint es mir schwer vorstellbar, das eine so hohe Kultur wie die in Kanaan, wirkliche Menschenopfer geschehen sind (außer den möglicherweise örtlich begrenzen Taten Einzelner), vor allem nicht zur Zeit des Alten Testaments, in der Blütezeit matriarchalischer Religionen!
Das ist meine augenblickliche Meinung dazu!

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