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Beitrag 2 von 9 Beiträgen.
Seite erstellt am 29.3.24 um 0:05 Uhr
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Verfasser: Gunar
Datum: Dienstag, den 23. März 2004, um 0:54 Uhr
Betrifft: Aber wie steht es um die Pflichten?

> Haben mormonische Seelsorger ein Zeugnisverweigerungsrecht?

Die Antwort kann nur lauten: Ja.

> Fraglich ist jedoch was man unter dem Begriff des Geistlichen versteht.

Viel wichtiger wäre es zu klären, was man uner dem Begriff "Eigenschaft als Seelsorger" versteht.

> Nach der herrschenden Meinung kann ein Geistlicher nur derjenige sein, wer einer Religionsgemeinschaft angehört, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat.

Diese Meinung herrscht schon lange nicht mehr, falls sie denn 1965 tatsächlich geherrscht haben sollte.

> Denn die Mormonen besitzen nur in Hessen und Berlin den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber nicht in den anderen Bundesländern.

Als Nichtjurist kann ich dich da nur mal dazu anregen, dich über den Begriff "distributives Recht" zu informieren. Wie weit das reicht ist mir natürlich nicht bekannt.

> Aus diesem Grund kann einem Seelsorger dieser Religionsgemeinschaft das Geistlichenprivileg der StPO überhaupt nur Hessen und Berlin zustehen. (Quelle: Haas, Zeugnisverweigerungsrecht des Geistlichen, NJW 1990, 3253 ).

Das halte ich für unwahrscheinlich, allerdings würde mich die Argumentation von Haas hierzu durchaus interessieren. Hast du einen Link?

> Besondere Beachtung verdient es in diesem Kontext, daß es für die Auslegung des Begriffs des Geistlichen bei § 11 I Nr. 3 WpflG ohne Bedeutung ist, ob diese Religionsgemeinschaft die Position einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt.

Völlig richtig. Dies ist auch das Gesetz, das in diesem Zusammenhang am besten ausgeurteilt ist.

> Dieser Bestimmung zufolge sind vom Wehrdienst befreit, hauptamtlich tätige Geistliche anderer Bekenntnisse (als evangelisch oder römisch-katholisch), deren Amt dem eines ordinierten Geistlichen evangelischen oder eines Geistlichen römisch-katholischen Bekenntnisses, der die Diakonatsweihe empfangen hat, entspricht. (Quelle: Haas, Zeugnisverweigerungsrecht des Geistlichen, NJW 1990, 3253 f.)

Sollte Haas diese Aussage getätigt haben, so hat er sich nicht gründlich mit der Materie beschäftigt. Den hauptamtlich tätigen Geistlichen sind nämlich Geistliche anderer Bekenntnisse in vergleichbaren Positionen gleich gestellt.

Möglich wäre es natürlich, das WehrPflG als eine Ausnahmeregelung anzusehen, wo also der Begriff Geistlicher weiter gefasst wird als es normaler Weise der Fall ist. Das kann ich deiner Argumentationskette allerdings nicht entnehmen.

> Dies gilt jedoch nicht für ordinierte Älteste im Priestertum in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage. Sie können nicht befreit sein, wenn sie nicht oder nicht überwiegend für ihr Bekenntnis tätig sind (Quelle: Scherer-Steinlechner, WpflG, § 11 Rdnr. 40 )

Ich glaube kaum, dass sich Scherer-Steinlechner unmittelbar auf die HLT-Kirche bezieht. Somit bist du mit deiner Quellenangabe etwas ungenau, da du sie hinter deine eigene Auslegung eines Sachverhalts setzt.

Die Frage wäre doch, was unter "nicht überwiegend für ihr Bekenntnis tätig" zu verstehen sei.

Gerade in der Rechtssprechung zum Wehrpflichtgesetz wurden die von mir angeführten Dinge heraus gearbeitet.

So das BVerwG: "Geistlicher im Sinne des WehrPflG ist nur, wer, wie dies beim Seelsorgamt der beiden großen christlichen Bekenntnisse geschieht, bei seiner Tätigkeit überwiegend religiöse Handlungen vornimmt, Angehörige der Religionsgemeinschaften in ihrem Glauben unterweist oder der Gemeinschaft in ähnlicher Weise dient."

Konkret hatte das VG Köln dies für ein HLT-Mitglied bejaht, die Wehrbehörde legte dagegen keine Rechtsmittel ein.

Selbst ein Zeuge Jehovas hat dies von den Gerichten bestätigt bekommen, womit eine Einschränkung auf Mitglieder von KdöRs widerlegt ist.

Weiterhin hat das BVerwG klargestellt, dass wegen des gleichen Wortlautes von §11 WehrPflG und §10 ZDG bei Bundeswehr und Zivildienst gleich zu verfahren sei.

Ich hatte unter Vorlage meines HLT-Geistlichenausweises (ja, sowas gibt es wirklich) als damaliger GML beim Bundesamt für den Zivildienst so argumentiert und damit meine (letztlich stillschweigend akzeptierte) Befreiung vom Zivildienst erwirkt, obwohl gerade beim Zivildienst ja alle Dienstpflichtigen eingezogen werden.

Ist die hiesige Interpretation der Begriffe allgemeingültig, ist die Antwort auf deine Frage eindeutig.

Komplizierter wird es allerdings bei der Frage, wann ein HLT-Geistlicher eine Eigenschaft als Seelsorger wahrnimmt.

So war der Pfahlpräsident Neuenschwander laut BAG nicht als Seelsorger tätig, als ihm W. Obst ein Verstoß gegen das Gesetz der Reinheit beichtete. Man fragt sich, wie das sein kann. Nun, Neuenschwander war damals auch Chef von Obst, beide waren bei der HLT-Kirche angestellt. Die aus der Beichte gewonnenen Informationen wurden von Neuenschwander gegen den Beichtenden verwendet, sprich: Obst wurde gekündigt, und Neuenschwander wurde befördert.

Daraus ergibt sich aber eine weitere, und in meinen Augen viel interessantere Frage: Wann ist ein HLT-Geistlicher zur Wahrung des Beichtgeheimnisses verpflichtet?

Und noch eine Frage: Wann sind HLT-Geistliche zur Anzeige einer Straftat verpflichtet, auch wenn die Kenntnis darüber in der Eigenschaft als Seelsorger erlangt wurde?

Wir wissen ja, dass sich Sekten gern auf Rechte berufen, die damit einher gehenden Pflichten aber gern ignorieren.

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