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der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Freitag, den 19. März 2004, um 13:37 Uhr
Betrifft: Die Kunst des grossen Bildes

normalerweise würde ich mir schon gerne einmal die einzelnen Fragen und deren Antworten von René betrachten wollen.
Aber in diesem Beispiel sind mir zwei, drei Dinge ganz besonders aufgefallen, die so hervorstachen, dass man sie, wie ich finde, gerne in diesem Forum besprechen kann oder vielleicht sogar sollte.

Man kann sich ja gut einen Spass aus den Apologeten der Mormonenkirche machen, weil sie es irgendwie immer wieder zu schaffen scheinen, sich in Theorien und Details zu verstricken, ohne den Gesamtzusammenhang zu sehen.
Wenn man der Wahrheit auf den Grund kommen möchte, ist das wohl auch notwendig, aber sicherlich nicht auf Kosten eines gesunden Menschenverstandes und einer vernunftsgemässen Herbeiführung der "hohen Wahrscheinlichkeit" z.B. in historischen Dingen.
René schreibt:
> You will never know in all details what people of denomination X believe, until you yourself ARE of denomination X.
Es stellt sich heraus, dass wohl offensichtlich die Mitglieder von "Glaubensrichtung X", einschliesslich deren Verteidiger, selber nicht so ganz wissen, was sie eigentlich glauben. Der Grund hierfür mag daran liegen, dass sie mit ihren widersprüchlichen und mehr und mehr nachweisbar unhaltbaren Lehren und Behauptungen ins Schwimmen kommen.

René:
> Mormon doctrine is what you can find in the Old Testament, the New Testament, the Book of Mormon, the Doctrine and Covenants and the Pearl of Great Price. What is not in there may be good and right, but it is not doctrine, until it didn’t make it into those books. Most of your questions have their foundation in the Journal of Discourses (JoD), a collection of sermons of early Church leaders. JoD is not more relevant to modern Mormon doctrine than the writings of the Early Church Fathers are relevant for modern Protestant doctrine.
In Kurz: Die Lehre der Kirche kann man in den Standardwerken finden, aber nicht in Journal of Discourses (wo einige der Fragen des Pastors herkommen), denn JoD ist nicht relevanter für moderne Kirchenlehre als die Schriften der frühen Kirchenväter für die modernen protestantischen Kirchen.

Nun gut: Ich werde hierzu nicht viel sagen können, da ich nicht studiert habe, was Diogenes, Irenäus, Athanasius, Cyril von Alexandrien und andere gelehrt haben und die paar Bruchstücke, die ich kenne, nicht ausreichen. Keiner wird aber bezweifeln wollen, dass die Lehren, die wir in dieser Sammlung von Ansprachen von Brigham Young und anderen aus dem 19. Jahrhundert finden, für die Kirche des 19. Jahrhunderts eine Bedeutung hatten.
Zwischen den Aussagen der frühen Kirchenväter und den Lehren der modernen protestantischen Kirchen liegen grob 1500 bis 1800 Jahre. Zwischen den Lehren z.B. vom Blood Atonement und der Kirchenlehre heute liegen ca. 140 Jahre erstaunlich rasanter theologischer Entwicklung.
Hinzu kommt, dass sich die mormonische Kultur aus der Abgrenzung zur sie umgebenden Gesellschaft heraus entwickelt hat, bis selbst diese Distanz noch zu nah war. Joseph Smith und die Kirche verstand es selbst im liberalen Nordamerika nicht, sich so zu entwickeln, dass sie ihr soziales Umfeld nicht dermassen gegen sich aufbrachte, dass diese sie nicht immer wieder mit Waffen- und Gesetzesgewalt vor sich hertrieben. Letztlich mussten sie sich über ein halbes Jahrhundert ausserhalb der Gesellschaft und basierend auf befremdlichen Praktiken und Lehren irgendwo in der Wüste zwischen den Bergen entwickeln. Aus dieser Zeit stammt Journal of Discourses.
Selbst wenn diese Zeit nun schon 100 Jahre her ist, so ist sie dennoch "erst 100 Jahre" her. Sprich: die heutigen Kirchenführer sind die Enkel und Urenkel derer, die aus polygamen Beziehungen stammen und diese guthiessen, die die Blutsühne kannten, die die Adam-Gott-Lehre kannten und viele Dinge mehr.
Zu behaupten, dieser Einfluss sei marginal und nicht nennenswert, ist ein trugschluss. Die Mormonen haben ausser den Standardwerken, die mit Joseph Smith auch schon praktisch abgeschlossen waren und von B.Y. und Wilford Woodruff nur unwesentlich wurden, keine Schriften. Obwohl sie ja sehr streng an fortlaufende Offenbarung glauben, haben sie keine "Heilige Schriften" von ihren Propheten, Sehern und Offenbarern aus dem 20. oder dem 21. Jahrhundert oder sogar der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu bieten.
Was zählt also heute noch etwas? JoD nicht? Die Schriften von Joseph F. Smith nicht? Nicht die von B.H. Roberts? Nicht die Schriften von Joseph Fielding Smith? Nicht die Schriften von Spencer Joda Kimball? Nicht die von Bruce R. McConkie?
Oh, sie zählen in der Tat, wenn mir etwas von ihren Aussagen passt. Wenn mir aber etwas von ihren Aussagen nicht passt, dann zählt plötzlich nur Hinckley oder Packer und das Handbuch für Allgemeine Anweisungen.

René weiter:
> The positive thing about this is that everyone is encouraged to study the scriptures, pray about them, and let the Holy Ghost explain to the reader what God wants him to believe, know and do. The goal is to have every single member be a prophet for his own area.
Offensichtlich scheinen die Menschen durch diese Methode, die ich auch für richtig halte, zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen zu kommen.

Im folgenden wird eine Frage des Pfarrers angegangen, der wie folgt die Frage stellt:
> My understanding at this point is that you believe that God was once a man who through time and perfecting Himself became a god. Is there one main God over all the other gods?

René zitiert daraufhin Hinckley aus einem Interview mit dem Time Magazine vom 04. Aug. 1997:

> Q: ...about that, God the Father was once a man as we were. This is something that Christian writers are always addressing. Is this the teaching of the church today, that God the Father was once a man like we are? This is his answer:
> A: I don’t know that we teach it. I don’t know that we emphasize it. I haven’t heard it discussed for a long time in public discourse. I don’t know. I don’t know all the circumstances under which that statement was made. I understand the philosophical background behind it. But I don’t know a lot about it and I don’t know that others know a lot about it.

Danach wird Brigham Young bemüht:
Dieser kurze Diskurs von Brigham Young soll vermitteln, dass es wohl so einfach für eine Mücke wäre, den Beginn und die Geschichte des Menschengeschlechts nachzuvollziehen, wie es für uns möglich wäre, den Beginn und die Geschichte Gottes und der Ewigkeit nachzuvollziehen.

Aussage also an den protestantischen Pfarrer:
Na ja, mag sein, dass da mal was war, aber eigentlich lehren die Mormonen doch gar nicht, dass Gott einmal einen menschlich-sterblichen Anfang genommen hat.

Lorenzo Snow: "Wie der Mensch jetzt ist, so war einst Gott; Wie Gott jetzt ist, vermag der Mensch zu werden."
Gibt es irgendjemanden in der Kirche, der daran zweifelt, dass die Mormonen an die Theosis glauben und an ihr festhalten? Ich möchte dieses Prinzip hier nicht kritisieren. Aber jeder weiss doch, dass die Mormonen die Theosis, genau wie in dem Ausspruch von Snow, an den sterblichen Ursprung Gott-Vaters koppeln und immer gekoppelt haben.
Ich kann Hinckley an dieser Stelle empfehlen, dass er sich einmal die Lehren der Erlösung von Joseph Fielding Smith vornimmt, um sein Gedächtnis aufzufrischen, da hier ab Seite 20 sehr ausführlich über das Prinzip "Gott ist ein erhöhter Mensch" gesprochen wird. Auch René wird das gut tun.

noch eine kleine Perle:
Frage: Is it true that God the Father has a wife and a physical body?
Antwort:
> Physical body: Yes.
> A Wife: Many Mormons believe it, but there’s not much evidence for that in the scriptures.

Hierzu kann ich als Gedankenstütze das Lied O mein Vater aus dem Gesangbuch, Nr. 190, 3, Strophe empfehlen. Eliza R. Snow, polygame Witwe von Joseph Smith Jr. und Leiterin der FHV in Utah. Daraus sollte dann recht klar werden, ob "Viele Mormonen" das glauben, oder ob das nicht vielmehr offizielle Kirchenlehre ist.

Es geht so weiter und weiter und ich finde das einfach symptomatisch für F.A.R.M.S. und FAIR und überhaupt die Apologeten.
Warum tun die es sich selbst fortwärend an, ihren Geist in ein Bretzel zu verbiegen und verteidigen Dinge, die es nicht verdienen, dass man sie verteidigt?

Henning

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